Weitere ERC-Auszeichnungen für Österreichs Forschung
Vier Forscherinnen von Akademie der Wissenschaften und TU Wien erhalten Prämierung des europäischen Forschungsrates. Mensch-Umwelt Beziehung und jüdisches Leben in Persien sowie Chemie und Mathematik als Themen der ausgezeichneten Arbeiten.
(red/czaak) Die ERC Grants sind die renommiertesten und hoch kompetitiven Forschungsförderungen der Europäischen Union. ERC Consolidator Grants unterstützen exzellente ForscherInnen in einem noch frühen oder mittleren Karrierestadium bei der Festigung ihrer wissenschaftlichen Unabhängigkeit. Die Grants sind mit bis zu zwei Millionen Euro für eine Dauer von fünf Jahren dotiert.
Von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) werden nun die Sozialanthropologin Judith Bovensiepen und die Kulturwissenschaftlerin Ariane Sadjed mit je einem ERC-Grant ausgezeichnet. Die Forschungsgebiete betreffen die Bereiche Mensch-Umwelt-Beziehung sowie jüdisches Leben im persischen Raum. Ebenfalls gleich zwei der hochdotierten ERC Consolidator Grants gehen dieses Jahr an die TU Wien. Eine Prämierung erhält dort die Chemikerin Noelia Barrabés und eine der Mathematiker Michael Feischl.
Die Themen Beseelte Natur und Extraktivismus
Judith Bovensiepen, die designierte Direktorin des Instituts für Sozialanthropologie der ÖAW, hat einen der beiden ERC Consolidator Grants eingeworben und wird sich in den kommenden fünf Jahren der Untersuchung von Animismus und Extraktivismus in Südostasien widmen. Innerhalb der Logik des westlichen kapitalistischen Weltbezugs ist die Natur mit Tieren, Pflanzen, Landschaften, Wasser oder Luft etwas, das wir besitzen, zerstören oder schützen können. Für viele indigene Kulturen hingegen gelten Pflanzen, Tiere und Dinge als beseelt.
Diese animistischen Kosmologien halten indigene Gemeinden davon ab, die Umwelt als eine auszubeutende Ressource zu betrachten. Aber inwiefern kann sie vor Extraktivismus, also der Ausbeutung und den Export von Rohstoffen durch multinationale Unternehmen, schützen? Anstatt indigene Gemeinschaften gegen die Rohstoffindustrie auszuspielen, untersucht Bovensiepen durch ethnografische Forschungen in Indonesien, Malaysia, den Philippinen und Timor-Leste, wie der Abbau von Bodenschätzen die verschiedenen Beziehungen der Menschen zur Umwelt beeinflusst und wie sich diese Beziehung zur Natur durch Interaktionen konstituiert.
Jüdisches Leben im persischen Raum
Wer sind die persischen JüdInnen und was können wir aus ihrer Geschichte lernen? Rückblickend auf eine fast 3.000-jährige Geschichte verließ die Mehrheit von ihnen die persischsprachige Welt ab Mitte des 20. Jahrhunderts. Ariane Sadjed vom Institut für Iranistik der ÖAW wird in den nächsten fünf Jahren der Vielschichtigkeit des Zusammenlebens von JüdInnen und MuslimInnen im Iran, in Zentralasien und in Afghanistan nachgehen. Mittels Familiengeschichten, Archivmaterial und mündlich überlieferten Belegen untersucht sie das alltägliche Leben jüdischer Gemeinden.
Im Fokus stehen dabei die verschiedenen Formen der Verbindung mit und die Abgrenzung von den umgebenden muslimischen Gesellschaften. Gezeigt werden soll hier dann auch, wie JüdInnen zu den Gesellschaften, in denen sie gelebt haben, beigetragen haben. Es ist die erste Studie zur Geschichte persischsprachiger JüdInnen nicht entlang heutiger nationaler Grenzen, sondern mit dem Fokus auf die bis in die 1930er Jahre aktiven transregionalen Netzwerke. Mit den zwei neuen Grants erhöht sich die Anzahl der seit 2007 an ÖAW-ForscherInnen insgesamt vergebenen ERC-Auszeichnungen auf 77 Grants und 7 Proof of Concept Grants.
Mehrfache Auszeichnungen auch für TU Wien
Auch für die TU Wien gibt es im Rahmen der aktuellen Prämierung mehrfachen Grund zur Freude. Die Chemikerin Noelia Barrabés und der Mathematiker Michael Feischl können sich über jeweils einen ERC Grant freuen. Bei der Forschung von Barrabés geht es um die Chemie der Spiegelbilder, wo sich ein Molekül ganz anders „benehmen“ kann als sein Spiegelbild. Die Wissenschaftlerin untersucht dabei insbesondere, wie sich die Entstehung solcher Moleküle erklären und steuern lässt.
Michael Feischl, Mathematiker an der TU Wien und zweiter aktueller Preisträger beschäftigt sich mit den Themen Präzision und Aufwand sowie verwandten Relationen. Feischl untersucht beispielsweise, wie bei komplizierten Rechenaufgaben mit minimalem Computeraufwand maximale Genauigkeit erreicht werden kann.