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29. September 2024

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„Europa braucht ebenso weniger Regulierung für mehr Wettbewerbsfähigkeit!“

„Europa braucht ebenso weniger Regulierung für mehr Wettbewerbsfähigkeit!“© Economy

Die Digital X punktete auch mit vielen hochkarätigen Podiumsdiskussionen. Besonders erwähnenswert ist das Panel zum Thema Digitale Souveränität. Politiker und Wirtschaftsbosse fanden hier zu einem überraschenden Schulterschluss bei Beurteilung des Wettbewerbs zwischen Europa, USA und China.

(Christian Czaak aus Köln) Das Messezentrum von Köln war der Ort, wo im Rahmen der von Deutsche Telekom und T-Systems alljährlich veranstalteten Digital X das Thema Digitalisierung primär aus unternehmerischer Sicht erörtert wurde. Das gewählte Format waren moderierte Podiumsdiskussionen, wo neben den in einem zweiten Text behandelten Themen „Digitale Kompetenz“ und „Künstliche Intelligenz“ ein besonders spannendes Panel zum Thema Digitale Souveränität stattfand.

Der Unterschied zu den anderen zwei Panels resultierte insbesondere mit einem auch für die teilnehmenden Redner:innen selbst überraschenden Ergebnis in der finalen Beurteilung des erörterten Themas. Ausgehend vom Titel „Digitale Souveränität“ ging es in der Diskussion rasch um die zentrale Frage, warum Europa beim Thema Digitalisierung und Künstliche Intelligenz den USA und China hinterherhinkt.

Inhaltlich überaus kompetente Expert:innen
Und das diskutierten am Podium Ralf Wintergast (Präsident vom deutschen Verband der Digital- und IT-Unternehmen BITKOM), Katrin Lehmann (CIO der Mercedes Benz Group AG), Thomas de Maiziere (ehem. Deutscher Innenminister im Kabinett Merkel II und aktuell Vorsitzender der Telekom-Stiftung), Alexander Pretschner (Forscher und Professor für Software-Entwicklung und Systems Engineering) und Adriana Groh (Co-Funder of the Sovereign Tech Fund und Netzwerkerin in der deutschen Innovationsszene).

Subtil sarkastische Spitzen und eine vorbildliche politische Fehlerkultur
Die Moderation leitete Carsten Knopp (Journalist und Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung), inhaltlich bestens vorbereitet und zudem kurzweilig mit wohldosiert angebrachten und subtil sarkastisch argumentierten Spitzen gegenüber dem Podium – wirklich klasse.

Hervorzuheben auch ein Thomas de Maiziere mit einer im politischen Rückblick offen eingeräumten Fehlerkultur zu standortpolitischen Entscheidungen und mit einem umfassenden Wissen zu aktuellen Initiativen und Rahmenbedingungen beim Thema internationaler Wettbewerb. Das inkludierte auch fundierte inhaltliche Kritik und Fragen bezüglich nationaler (deutscher) Vorgaben und Regularien, die schnell dann auch die EU bzw. Brüssel miteinbezogen.

Eine immer größere Zahl an Regularien schadet der Wirtschaft
Zusammengefasst adressierte die Kritik oder besser das eigene kritische Einsehen die Bürokratie und insbesondere die immer größer werdende Zahl an Regularien, welche dann primär Unternehmen im Bereich Mittelstand und Industrie betreffen und diese final in ihrer Wettbewerbsfähigkeit einschränken.Parallel hemmen sie auch Innovation und Neugründungen bzw. machen sie schwieriger. Katrin Lehmann, CIO der Mercedes Benz Group AG, bestätigte den mittlerweile enormen Aufwand zur Erfüllung all dieser Regularien. „Aber wir müssen und machen das natürlich, auch wenn es viele Ressourcen kostet“ so die Top-Managerin.

Als Stichwörter die neuen gesetzlichen EU-Regularien zum Thema Lieferketten, ganz generell der Bereich Datenschutz und aktuell dazu der neue AI-Act der EU mit seinen vielen noch offenen Fragen bzw. Unsicherheiten und Auswirkungen im operativen Geschäft. Ein Segment gilt auch hier dem Thema Daten im Kontext mit Urheber- bzw. Verwertungsrechten. Dass sich die US-Imperialisten Google, Facebook, Amazon, Apple, Microsoft & Co. sowie eine chinesische Alibaba, Bytdance (TikTok) vergleichsweise weitaus weniger um diese Dinge scheren (müssen), sei hier aus subjektiver Sicht des Autors angeführt.

94 Prozent der Deutschen Unternehmen abhängig vom Import digitaler Technologien
Welche Auswirkungen diese überbordenden Regularien auf den immer internationaler werdenden Wettbewerb der Standorte haben und wie sich deutsche Unternehmen in diesem Wettbewerb fühlen, zeigte dann Ralf Wintergast, Präsident des deutschen BITKOM-Verbandes, anhand mehrerer aktuellen Studien mit Fokus auf Europa, die USA und China.

Bei China machen sich 69 (!) Prozent der Deutschen Unternehmen Sorgen ob einer zu großen Abhängigkeit bzw. Einflusses und bei den USA immerhin auch 38 Prozent. Eine andere Frage aus einer Bitkom-Studie betraf die eigene unternehmerische Abhängigkeit vom Import digitaler Technologien & Leistungen. 94 (!) Prozent sehen sich hier abhängig, davon 62 Prozent sogar stark und nur 4 Prozent „eher nicht oder überhaupt nicht abhängig“.

Deutschland (und Österreich) und Europa brauchen eine neue Herangehensweise
Ergänzend hat sich der Bitkom-Verband auch die unterschiedlichen Kulturen und die daraus ebenso unterschiedlichen Ansätze dieser Länder bzw. Wirtschaftsräume zum Thema Regulierung angesehen. Für die USA gilt vergleichsweise ein „Technologisch-Libertärer Ansatz“ und in der Umsetzung ein klares „Play To Win“. In China ist es ein „Kontroll-Orientierter Ansatz“ mit der Zielsetzung „Play To Control The Nation And The Competition – Ulitmately To Win“.

Und für Europa gilt ein „Defensiver, Rechte-Orientierter Ansatz“ mit einem „Play To Protect“ für die Umsetzung. „Globaler Einfluss wird auch über die Regulierungsstrategien für Technologien ausgeübt“, so die klare Erkenntnis des BITKOM-Verbandes. Das gesamte Podium war sich final einig, dass der Umfang all dieser Regulierungsfragen im Kontext mit der internationalen Wettbewerbsfähigkeit kritisch zu beurteilen ist.

Handlungsempfehlung „All-in“ bei KI und ein positiver Abschluss
Zusammen gab es dann abschließend auch mehrere Empfehlungen. Es braucht mehr Fokus auf die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit mit weniger Bürokratie und eben mit weniger gesetzlichen Regularien. Weiters eine deutliche Stärkung von Schlüsseltechnologien sowie eine möglichst einfache und gezielte Förderung von praxisorientierten Anwendungsfeldern. Insbesondere bei KI sollten wir „all-in“ gehen, so eine weitere Empfehlung.

Gleichermaßen als Bestätigung, dass Deutschland und Europa nicht überall hinterherhinken, zeigte Bitköm-Boss Ralf Wintergast noch eine vergleichende Erhebung zum Thema Innovation. Hier gibt es in der Tat positives zu vermelden: Deutschland belegt im weltweiten Vergleich den 4. Platz. Und Europa insgesamt ist fast auf gleicher Höhe mit China und den USA. Also, werte EU und ihr Mitgliedstaaten: es gibt immer noch eine gute Ausgangsbasis - und für mehr Wettbewerbsfähigkeit braucht auch die Europäische Wirtschaft weniger Regularien und mehr Freiraum für ihr „Play To Win“.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 27.09.2024