Drastischer Einbruch der Geschäftslage
Mittelständische Betriebe in Österreich befinden sich in großer Krise. Viele erwarten noch zusätzliche Verschlechterung. Nur fünf Prozent planen neue Stellen. Kritik an Standortpolitik, so aktuelle Studie von EY.
(red/czaak) Österreichs Unternehmen stehen vor enormen Herausforderungen und Grund dafür ist eine anhaltend schwache Konjunktur. Der Anteil der Betriebe, die ihre Geschäftslage positiv einschätzen, ist seit Jahresbeginn deutlich um zehn Prozentpunkte gesunken – von 82 auf aktuell nur noch 72 Prozent.
Besonders alarmierend ist der massive Rückgang bei jenen, die ihre Situation als rundum zufriedenstellend bewerten, mit einem Einbruch von 13 Prozentpunkten auf lediglich nur noch 41 Prozent. Gleichzeitig bewertet über ein Viertel der Befragten die eigene Geschäftslage aktuell als negativ – ein hoher Wert, der zuletzt zu Beginn des Jahres 2021 im Kontext mit der Corona-Pandemie erreicht wurde.
Nur ein Fünftel der befragten Unternehmen rechnen mit Verbesserung
Viele Unternehmen erwarten zudem noch eine weitere Verschlechterung ihrer Geschäftslage (19 Prozent). Die Konjunkturerwartungen bleiben ebenfalls düster. Nur 19 Prozent der befragten Unternehmen rechnen in den kommenden sechs Monaten mit einer Verbesserung der allgemeinen Wirtschaftslage in Österreich.
„Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass Unternehmen in Österreich akut unter den herausfordernden wirtschaftlichen Bedingungen leiden. Dennoch sind viele Unternehmen nach wie vor robust und anpassungsfähig,“ erklärt Erich Lehner, Experte für den Mittelstand bei EY Österreich. „Gerade jetzt braucht es einen Fokus auf Innovation und Effizienz sowie kurzfristig auf Working Capital Management und die Sicherstellung ausreichender Liquidität, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben“, so Lehner weiter.
Die Prüfungs- und Beratungsorganisation EY hat für diese Studie im August und September 2024 über 500 Verantwortliche von mittelständischen, nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeiter:innen in Österreich befragt.
Deutliche Unterschiede im Branchenvergleich
Im Branchenvergleich zeigt die Geschäftslage weiterhin deutliche Unterschiede: Im Gesundheitssektor etwa sind aktuell 61 Prozent der befragten Unternehmen uneingeschränkt zufrieden mit ihrer Geschäftslage. Auch im Tourismus bewertet über die Hälfte der Betriebe ihre Lage als positiv, gefolgt von den Bereichen Soziales, Wissenschaft und Bildung. Am wenigsten zufrieden sind Unternehmen im Bereich Handel und Konsumgüter, wo lediglich 24 Prozent ihre Geschäftslage als gut einschätzen. Kleinere Betriebe mit Jahresumsätzen von weniger als 10 Millionen Euro bewertern ihre Geschäftslage derzeit häufiger positiv als größere.
Auch die Einschätzungen zur künftigen Geschäftslage variieren zwischen den Branchen: Im Tourismussektor erwarten 27 Prozent der befragten Unternehmen eine Verbesserung ihrer Geschäftslage, und auch in der Industrie gehen 23 Prozent von einer positiven Entwicklung aus. Bemerkenswert ist die Aufholjagd im Bereich Soziales, Wissenschaft und Bildung, wo 19 Prozent der Unternehmen eine Verbesserung erwarten. „Ein deutlicher Anstieg“, betont Erich Lehner von EY.
Geringe Investitionsbereitschaft wie bei Wirtschaftskrise 2008
Beim Thema Investitionen planen nur 13 Prozent der befragten Unternehmen eine Erhöhung im kommenden Halbjahr. Umgekehrt werden 16 Prozent weniger investieren als zuletzt. Damit ist für die erste Jahreshälfte 2025 nur mit geringen Investitionsimpulsen zu rechnen. Eine derart niedrige Investitionsbereitschaft war zuletzt in der Zeit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 zu beobachten.
Auch bei den Beschäftigungsplänen zeigt sich ein differenziertes Bild. 23 Prozent der Betriebe in Österreich planen, in den kommenden Monaten zusätzliches Personal einzustellen, ein leichter Anstieg als zuletzt. Der Anteil der Unternehmen, die Stellen abbauen wollen, bleibt jedoch mit 18 Prozent auf dem hohen Niveau vom Jahresbeginn 2024. Auch im neuen Jahr dürfte die Beschäftigungsdynamik deutlich niedriger ausfallen. Lediglich fünf Prozent der Betriebe planen zusätzliche Stellen zu schaffen.
Fachkräftemangel bleibt größte Wachstumsbremse für Österreichs Unternehmen
Wie in den Vorjahren bleibt der Fachkräftemangel das größte Problem der heimischen Unternehmen. Zwei von drei sehen das als die größte Gefahr für die Entwicklung des eigenen Betriebs. Danach folgen eher akute Herausforderungen wie die drohende Rezession, die hohe Inflation und die hohen Energie- sowie Rohstoffpreise.
Als Hauptursache für den Fachkräftemangel sehen die befragten Unternehmen die mangelnde Bereitschaft von Arbeitskräften, in Vollzeit zu arbeiten (61 Prozent). Dann folgt der demografische Wandel und die Alterung der Bevölkerung mit 39 Prozent. Auch die fehlende Ausbildung und Qualifikation der Bewerber wird als wesentlicher Grund für den Fachkräftemangel genannt. Das Recruiting fällt vor allem dem Immobilien- und Baugewerbe, dem Tourismussektor sowie der Industrie sehr schwer.
Kritik an nationaler Standortpolitik wächst
„Es gibt kaum einen Sektor des österreichischen Arbeitsmarkts, der momentan nicht in Personalnot ist. Die Problematik hat sich in den letzten Jahren immer mehr verschärft, über ein Drittel der befragten Unternehmen erleiden durch fehlende Fachkräfte auch Umsatzeinbußen. Das bremst die Wirtschaftsdynamik ordentlich ab“, unterstreicht Erich Lehner von EY.
Die nationale Standortpolitik stößt weiterhin auf wenig Zustimmung bei österreichischen Unternehmen. Nur 13 Prozent bewerten sie positiv, während 39 Prozent eine kritische Einschätzung abgeben. Besonders ausgeprägt ist die Unzufriedenheit im Sektor Transport, Verkehr und Energie (55 Prozent). Auch in der Industrie und im Tourismus ist die Skepsis gegenüber der aktuellen Standortpolitik ausgeprägt.
Die Bundesländer im Vergleich
Die aktuelle Geschäftslage wird in Tirol von knapp zwei Drittel der Unternehmen als gut eingeschätzt, gefolgt von Salzburg. Das Schlusslicht bildet Niederösterreich, wo nur 25 Prozent die Geschäftslage positiv bewerten. Der Blick in die Zukunft gestaltet sich bei Wiener Unternehmen am besten (34 Prozent), gefolgt von Kärnten (26) und Oberösterreich (23). Mit 14 Prozent liegt hier Salzburg auf dem letzten Platz.
Am stärksten investieren wollen in den kommenden Monaten Unternehmen aus Wien (16 Prozent) und der Steiermark sowie Salzburg. Oberösterreichische Unternehmen sind dahingehend am zurückhaltendsten (acht Prozent). Auch in Tirol ist diese mit zehn Prozent nur wenig höher. In Oberösterreich planen mehr Unternehmen ihre Investitionen zu reduzieren (22) als zu steigern (8), in Tirol und dem Burgenland ebenfalls.
Nur vier von zehn mittelständischen Unternehmen in Österreich sind mit der aktuellen Geschäftslage rundum zufrieden. Konjunkturerwartungen negativ: 39 Prozent gehen von einer Verschlechterung aus, nur ein Fünftel erwartet Verbesserung. Zurückhaltung bei Investitionen: Nur 13 Prozent planen Investitionen, so wenig wie zuletzt 2008/2009. Schwache Beschäftigungsdynamik: Nur fünf Prozent wollen zusätzliche Stellen schaffen. Fachkräftemangel bleibt größte Wachstumsbremse: 7 von 10 Unternehmen fehlt geeignetes Personal. Bundesländer im Vergleich: Geschäftslage in Tirol am besten, in Niederösterreich am schlechtesten