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03. November 2024

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Ein Milliardstel einer Milliardstelsekunde

Ein Milliardstel einer Milliardstelsekunde© Pexels.com/googledeepmind

Die Entstehung von Quantenverschränkung gehört zu den schnellsten Prozessen der Natur. Die TU Wien forscht zu diesem Thema und zeigt mit speziellen Tricks neue Untersuchungsformen auf der Attosekunden-Skala.


(red/cc) Die Quantentheorie beschreibt Ereignisse, die in extrem kurzer Zeit ablaufen. Früher wurden solche Ereignisse als „instantan“ oder „augenblicklich“ betrachtet. Ein Elektron kreist dabei um den Atomkern – und im nächsten Augenblick wird es plötzlich von einem Lichtblitz herausgerissen. Oder: zwei Teilchen stoßen zusammen – und im nächsten Augenblick sind sie plötzlich „quantenverschränkt“.



Heute gibt es Methoden, mit denen der zeitliche Ablauf solcher „augenblicklicher“ Effekte untersucht werden kann. Die TU Wien entwickelte gemeinsam mit Forschungsteams aus China Computersimulationen, wo ultraschnelle Prozesse nachgebildet werden können. Damit lässt sich auf einer Zeitskala von Attosekunden untersuchen, wie Quantenverschränkung überhaupt entsteht. Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal „Physical Review Letters“ publiziert.



Zwei Teilchen und EIN Quantenobjekt

Wenn zwei Teilchen quantenverschränkt sind, ergibt es keinen Sinn, sie getrennt voneinander zu beschreiben. Auch wenn der Zustand dieses Zwei-Teilchen-System genau bekannt ist, über den Zustand eines einzelnen Teilchens kann keine eindeutige Aussage getroffen werden. „Die Teilchen haben keine individuellen Eigenschaften, sie haben nur gemeinsame Eigenschaften. Sie gehören mathematisch gesehen fest zusammen, auch wenn sie sich an zwei völlig unterschiedlichen Orten befinden“, erklärt Joachim Burgdörfer vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien.



Wird mit verschränkten Quantenteilchen experimentiert, dann soll diese Quantenverschränkung möglichst lange aufrechterhalten werden– etwa für die Nutzung von Quantenverschränkung für Quantenkryptographie oder Quantencomputing. „Uns interessiert, wie sich diese Verschränkung anfangs überhaupt entwickelt, und welche physikalischen Effekte dabei auf extrem kurzen Zeitskalen eine Rolle spielen“, sagt Iva Březinová, eine der Autorinnen der aktuellen Publikation.


Ein Elektron fliegt fort, eines bleibt beim Atom

Dafür werden Atome betrachtet, die von einem extrem intensiven und hochfrequenten Laser-Blitz getroffen werden. Ein Elektron wird aus dem Atom herausgerissen und fliegt davon. Wenn die Strahlung stark genug ist, kann es passieren, dass auch noch ein zweites Elektron des Atoms beeinflußt wird: Es kann in einen Zustand mit höherer Energie versetzt werden und den Atomkern danach auf einer anderen Bahn umkreisen.



Danach gibt es also ein davonfliegendes Elektron und eines, das mit unbekannter Energie beim Atom verbleibt. „Diese beiden Elektronen sind nun quantenverschränkt“, sagt Joachim Burgdörfer. „Man kann sie nur gemeinsam verstehen – und man kann an einem der Elektronen eine Messung durchführen und dabei etwas über das andere Elektron erfahren.“


Das Elektron weiß selbst nicht, wann es „geboren“ wurde

Durch ein geeignetes Messprotokoll, das zwei verschiedene Laserstrahlen miteinander kombiniert, kann erreicht werden, dass der „Geburtszeitpunkt“ des davonfliegenden Elektrons, also der Augenblick, an dem es das Atom verlässt, mit dem Zustand des zurückbleibenden Elektrons zusammenhängt. Diese beiden Eigenschaften sind quantenverschränkt. „Das davonfliegende Elektron weiß sozusagen selbst nicht, zu welchem Zeitpunkt es das Atom verlassen hat. Es befindet sich in einer quantenphysikalischen Kombination unterschiedlicher Zustände und es hat das Atom sowohl zu einem früheren als auch zu einem späteren Zeitpunkt verlassen“, erklärt Joachim Burgdörfer.


Welcher Zeitpunkt es nun „wirklich“ war, lässt sich nicht beantworten. Die „tatsächliche“ Antwort auf diese Frage existiert in der Quantenphysik einfach nicht. Aber die Antwort ist quantenphysikalisch mit dem – ebenfalls unbestimmten – Zustand des beim Atom verbliebenen Elektrons verbunden. Befindet sich das verbliebene Elektron in einem Zustand höherer Energie, dann wurde das davonfliegende Elektron eher zu einem frühen Zeitpunkt herausgerissen. Befindet es sich in einem Zustand niedrigerer Energie, dann war der „Geburtszeitpunkt“ des davonfliegenden freien Elektrons eher später.

Die Zeitstruktur des Augenblicklichen
Ein durchschnittlicher Wert beträgt hierfür 232 Attosekunden. Das ist ein kaum vorstellbar kurzer Zeitraum. Eine Attosekunde ist ein Milliardstel einer Milliardstelsekunde. „Diese Unterschiede lassen sich aber nicht nur berechnen, sondern auch im Experiment messen. Wir sind bereits in Gespräch mit Forschungsteams, die solche ultraschnelle Verschränkungen nachweisen wollen“, so Burgdörfer von der TU Wien.



Die Arbeit zeigt: wichtige Zusammenhänge werden erst dann sichtbar, wenn ultrakurze Zeitskalen diese Effekte aufzulösen. „Das Elektron springt nicht einfach aus dem Atom heraus. Es ist eine Welle, die gewissermaßen aus dem Atom herausschwappt und das dauert eine gewisse Zeit“, sagt Iva Březinová. „Genau während dieser Phase entsteht die Verschränkung, deren Auswirkung dann später durch Beobachtung an den beiden Elektronen genau vermessen werden kann“, unterstreicht die Expertin der TU Wien.

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red/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 28.10.2024