Vom giftigen Kohlenmonoxid zum nützlichen Kohlenmonoxid

In einem Forschungsprojekt der TU Wien konnte ein bestimmter bakterieller Mikroorganismus genetisch so manipuliert werden, dass er Kohlenmonoxid verstoffwechseln kann.
(red/cc) Genetische Veränderungen können natürlich via Evolution entstehen oder sie können mithilfe von Gentechnik initiiert werden. Nun wurde das Bakterium Thermoanaerobacter kivui (Anm. T. kivui) von einem Forschungsteam um Stefan Pflügl vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften an der TU Wien so manipuliert, dass es Kohlenmonoxid verstoffwechseln kann. Eingesetzt in Bioreaktoren kann es so einen Beitrag dazu leisten, Synthesegas, welches aus Kohlenmonoxid (CO), Kohlenstoffdioxid (CO2) und Wasserstoff (H2) besteht, in wertvolle Produkte umzuwandeln.
Erhöhte Wertschöpfung
Grundsätzlich wächst T. kivui bei hohen Temperaturen und ist in der Lage, aus einfachen Molekülen wie Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff organische Stoffe zu produzieren. Diese Eigenschaften können genutzt werden, um das Bakterium etwa in Verbindung mit Biomassevergasungsanlagen einzusetzen, um die Wertschöpfung des dort aus Abfallbiomasse wie Agrarrestoffen oder Holzabfällen erzeugten Synthesegases zu steigern.
Mittels T. kivui und mit Gasfermentation Essigsäure sowie nach entsprechender gentechnischer Veränderung kann beispielsweise Ethanol oder Isopropanol nachhaltig hergestellt werden – Rohstoffe, die dann als Biokraftstoffe oder Chemierohstoffe Einsatz finden. Somit kann diese Technologie genutzt werden, um eine Kohlenstoffkreislaufwirtschaft basierend auf nachwachsenden Rohstoffen zu etablieren. Kohlenmonoxid ist für viele Mikroorganismen, darunter auch T. kivui, von Natur aus giftig und hemmt das Wachstum.
Evolution durch Gentechnik beschleunigen
„Uns ist es jedoch gelungen, das Bakterium langsam an Kohlenmonoxid zu gewöhnen und später hat es Kohlenmonoxid sogar als alleinige Energie- und Kohlenstoffquelle nutzen können“, erklärt Stefan Pflügl. Diese Fähigkeit erwarb T. kivui innerhalb nur weniger Generationen auf natürliche Weise. Ein Blick auf das Genom verriet den Forschenden, dass ein Transposon (Anm. bestimmter mobiler DNA-Abschnitt), für die neuen Eigenschaften verantwortlich ist.
Diese Erkenntnis liefert nicht nur ein tieferes Verständnis dafür, wie sich Mikroorganismen an ihre Umwelt anpassen, sondern zeigt auch, wie sich natürliche evolutionäre Mechanismen für biotechnologische Zwecke nutzen lassen. Viele Bakterien verfügen über einen natürlichen Abwehrmechanismus, um virale DNA zu erkennen und unschädlich zu machen.
Schneller als etablierte Methoden und eine 100%-ige Erfolgsquote
„Diesen auch als Genschere CRISPR/Cas bekannten Mechanismus kann man nutzen, um DNA gezielt zu verändern. Mit unserer Methode, Hi-TARGET, lassen sich Gene entfernen, verändern oder neue hinzufügen“, so Pflügl. So gelang es dem Forschungsteam einen Bakterienstamm zu entwickeln, der sehr ähnliche Eigenschaften aufweist wie jener, der durch natürliche Evolution entstanden ist. Die neue Methode ist nicht nur deutlich schneller als etablierte Methoden der Gentechnik, auch erzielten die Forschenden eine Erfolgsquote von 100 Prozent.
Die gezielte genetische Manipulation durch Hi-TARGET eröffnet den Forschenden zudem eine Art Spielwiese: Wie verändern sich die Eigenschaften von T. kivui, wenn Gene, die im Transposon enthalten sind, überexprimiert werden? Und lässt sich T. kivui so verändern, dass der Organismus aus Substraten wie CO2, H2 und CO, die nur wenig Energie liefern, anspruchsvollere Produkte herstellen kann? „Das Wissen, das wir durch T. kivui gewonnen haben, lässt sich auch auf andere Mikroorganismen übertragen, die gasförmige Substrate verstoffwechseln“, ergänzt Stefan Pflügl vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften an der TU Wien.