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11. October 2024

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Das nachgewiesene Chaos auf der Nanometer-Skala

Das nachgewiesene Chaos auf der Nanometer-Skala     © TU Wien

Chemische Reaktionen zeigen manchmal räumlich-zeitliche Schwankungen und laufen dann nicht nur stationär in eine Richtung. Die TU Wien erforscht nun derartige Übergänge zum chaotischen Verhalten bis hin zu etwaigen biologischen Anwendungen.

(red/mich) Chaotisches Verhalten sind normalerweise von großen Dingen bekannt, etwa dem Wetter, von Asteroiden im Weltraum, die von mehreren großen Himmelskörpern gleichzeitig angezogen werden, oder auch von schwingenden Pendeln, die miteinander gekoppelt werden. Auf atomaren Größenordnungen hingegen stößt man normalerweise nicht auf Chaos – dort überwiegen fast immer andere Effekte.

An der TU Wien konnten nun erstmals klare Anzeichen von Chaos auf der Nanometer-Skala nachgewiesen werden – und zwar bei chemischen Reaktionen auf winzigen Rhodium-Kristallen. In der analysierten chemischen Reaktion wird mittels eines Edelmetall-Katalysators Sauerstoff mit Wasserstoff zu Wasser. Das ist auch das Grundprinzip einer Brennstoffzelle.

Von inaktiv zu aktiv und wieder zurück
Die Reaktionsgeschwindigkeit hängt dabei von äußeren Bedingungen wie Druck oder Temperatur ab. Unter bestimmten Voraussetzungen zeigt diese Reaktion allerdings ein oszillierendes Verhalten, obwohl die äußeren Bedingungen konstant sind. „So ähnlich wie ein Pendel von links nach rechts schwingt und wieder zurück, oszilliert die Reaktionsgeschwindigkeit zwischen kaum wahrnehmbar und hoch - und damit das katalytische System zwischen inaktiv und aktiv hin und her“, erklärt Günther Rupprechter vom Institut für Materialchemie der TU Wien.

Ein Pendel ist ein klassisches Beispiel für etwas Berechenbares – wenn man es ein bisschen stört oder es zweimal auf leicht unterschiedliche Arten in Bewegung setzt, verhält es sich danach im Großen und Ganzen gleich. Es ist in gewissem Sinn das Gegenteil von einem chaotischen System, bei dem minimale Änderungen der Ausgangsbedingungen zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen im Langzeitverhalten führen. Ein Paradebeispiel für ein solches chaotisches System sind mehrere Pendel, die mit elastischen Schnüren miteinander verbunden sind.

Zweimal exakt gleiche Anfangsbedingungen sind unmöglich
„Grundsätzlich legen Naturgesetze natürlich immer noch exakt fest, wie sich die Pendel verhalten“, sagt Yuri Suchorski von der TU Wien. „Könnten wir ein solches gekoppeltes System aus Pendeln zweimal exakt auf dieselbe Art starten, würden sich die Pendel beide Male genau gleich bewegen.“ Doch in der Praxis ist das unmöglich: Man wird beim zweiten Mal nie perfekt dieselbe Ausgangssituation herstellen können, wie beim ersten Mal – und schon ein winziger Unterschied in der Ausgangslage bewirkt, dass sich das System später völlig anders verhält als beim ersten Mal.

Das ist der berühmte „Schmetterlingseffekt“, wo winzige Unterschiede in den Anfangsbedingungen zu sehr großen Unterschieden im Zustand zu einem späteren Zeitpunkt führen.Etwas ganz Ähnliches konnte nun anhand von chemischen Oszillationen auf einem Rhodium-Nanokristall beobachtet werden. „Der Kristall besteht aus vielen verschiedenen winzigen Oberflächen-Facetten, ähnlich einem geschliffenen Diamanten, nur viel kleiner, in einer Größenordnung von Nanometern“, sagen Maximilian Raab und Johannes Zeininger von der TU. „Auf jeder dieser Facetten oszilliert die chemische Reaktion, aber die Reaktionen auf benachbarten Facetten sind miteinander gekoppelt“, so die Umsetzer des Experiments.

Umschalten von Ordnung zu Chaos
Das Kopplungsverhalten lässt sich nun aber auf bemerkenswerte Art steuern, indem die Menge an Wasserstoff verändert wird. Zunächst dominiert eine Facette, dann schließen sich die anderen Facetten an und oszillieren im selben Takt mit. Mit einer höheren Wasserstoff-Konzentration wird die Situation komplizierter. Unterschiedliche Facetten oszillieren mit unterschiedlichen Frequenzen, ihr Verhalten ist aber periodisch und gut vorhersagbar. Wird dann allerdings die Wasserstoff-Konzentration noch weiter erhöht, bricht diese Ordnung plötzlich zusammen. Das Chaos gewinnt, die Oszillationen werden unvorhersehbar, winzige Unterschiede in der Anfangssituation führen zu völlig unterschiedlichen Schwingungsmustern.

„An der Chaostheorie wird seit Jahrzehnten geforscht, es ist auch bereits gelungen, diese an chemische Reaktionen in größeren Systemen anzuwenden. Unsere Studie ist nun der erste Versuch, das umfassende Wissen aus diesem Bereich auf die Nanometer-Skala zu übertragen“, sagt Günther Rupprechter. „Winzige Abweichungen in der Symmetrie des Kristalls können darüber entscheiden, ob sich der Katalysator geordnet und vorhersagbar oder ungeordnet und chaotisch verhält. Das ist für unterschiedliche chemische Reaktionen wichtig – und vielleicht sogar für biologische Systeme“, so der TU Wien Experte.

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red/mich, Economy Ausgabe Webartikel, 07.03.2023