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11. October 2024

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Biologische Ersatzstoffe für Humanmedizin

Biologische Ersatzstoffe für Humanmedizin© pexels/mart production

Steigender Bedarf an Spendergewebe oder Organen wird immer mehr zu Herausforderung. Deutsche Innovationsagentur SPRIND startete dazu letzten November eigene Förder-Programmlinie und präsentiert nun erste Ergebnisse.

(red/czaak) Immer mehr Patient:innen sind auf Spendergewebe oder Organe angewiesen. Der steigende Bedarf kann aber bei weitem nicht gedeckt werden. Die Patienten leiden unter langen Wartelisten und vielfältigen medizinischen Herausforderungen - oder sie sterben, noch bevor eine Spende verfügbar ist. Künstlich erzeugtes Gewebe kann hier eine nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität bedeuten.

In den letzten Jahrzehnten haben Wissenschaftler, Ingenieure und Ärzte Werkzeuge entwickelt, um biologische Ersatzstoffe zu konstruieren, die natürliches Gewebe nachahmen. Ein finales Ziel, die Grenzen etwa der herkömmlichen Organtransplantation zu überwinden, blieb bis dato jedoch unerreicht. Auch an der Med Uni Innsbruck wird dazu intensiv geforscht (economy berichtete).

Die Entwicklung von Zellen, von Gewebearchitektur und technische Materialien
Die deutsche Innovationsagentur SPRIND hat nun letzten November zu diesen Themen eine eigene mehrstufige Förderprogrammlinie gestartet. Im Fokus steht ein fortschrittliches Konzept, welches das bisher am weitesten entwickelte künstliche Gewebe hervorbringt. Dieses Gewebe muss dem natürlichen Gewebe des Menschen bei Größe, Struktur und Komplexität so nahe wie möglich kommen und kann Elemente wie die Entwicklung von Zellen, die Entwicklung von Gewebearchitektur oder technische Materialien umfassen, zusammengefasst im sogenannten Tissue Engineering.

Ziel der ersten Stufe mit einer Laufzeit von acht Monaten ist die Demonstration der Eigenschaften des künstlichen Gewebes. Das wird von Sprind mit bis zu 500.000 Euro unterstützt. In der abschließenden zweiten Stufe mit einer Laufzeit von zwei Monaten stehen den Teams dann jeweils bis zu 100.000 Euro zusätzlich zur Verfügung. Hier richtet sich der Fokus schon auf die Planung eines sogenannten First-in-human Trial. Wie von anderen Innovationsprojekten gewohnt, werden die Teams auch hier durch Sprind begleitet und mit weiteren Expert:innen vernetzt.

Die Teilnehmer des Projekts "Tissue Engineering"
In der ersten Stufe des 10-monatigen Innovationswettbewerbes werden nun vier Teams finanziert, um die Machbarkeit eines neuartigen Ansatzes von Tissue Engineering für eine erste Transplantation beim Menschen zu demonstrieren. Die nachfolgenden Teams erschaffen Organersatz für Leber, Bauchspeicheldrüse, Muskeln und Gelenkknorpel.

„Das Gewebe soll dem natürlichen Vorbild so nahe wie möglich kommen, um Patient:innen als Transplantat eine hohe Lebensqualität zu ermöglichen. Dafür braucht es Innovationen im Engineering von Zellen, der Entwicklung von Gewebearchitekturen oder technischen Materialien“, erläutert Jano Costard, Challenge Officer bei SPRIND.

Das Unternehmen Cellbricks
Das Team von Cellbricks (Anm. GmbH) hat sich zum Ziel gesetzt, fehlende oder gestörte Leberfunktionen zu ersetzen, da ohne eine funktionierende Leber der Stoffwechsel des Körpers zusammenbricht. Gemeinsam mit ihren klinischen Partnern an der Charité Berlin (Anm. Krankenhaus) will das Cellbricks-Team menschliches Lebergewebe in großem Maßstab nachbilden.

Dabei soll mittels 3D-Bioprinting komplexes Lebergewebe aus Biotinten mit extrazellulärer Matrix und menschlichen Leberzellen hergestellt werden. Diese Gewebetherapeutika werden im Labor biotechnologisch hergestellt und schließlich in den Körper der Patienten implantiert. Ziel ist ein längeres und gesünderes Leben.

Das Unternehmen ZonalCartHT – Bizonal cartilage grafts
Fehlender oder beschädigter Knorpel verursacht enorme Schmerzen und macht unsere Gelenke oft unbrauchbar. Das Team von ZonalCartHT um Solvig Diederichs (Orthopädie Universitätsklinikum Heidelberg) und Uwe Freudenberg (Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden) arbeitet an der Entwicklung eines neuartigen Knorpelersatzes, der Gelenkfunktionen wiederherstellen soll.

Dabei wird durch die Kombination aus biohybriden Hydrogelen und Stammzellen eine komplexe zweischichtige Matrix entwickelt, die den natürlichen Übergang zwischen Knochen und Knorpel spiegeln soll. Gleichzeitig sollen die eingesetzten Materialien eine nachhaltige Funktion und Belastbarkeit ermöglichen, um Gelenkfunktionen wiederherzustellen und mehrmaligen Gelenkersatz zu verhindern. Die Med Uni Innsbruck arbeitet an einem ähnlichen Projekt (economy berichtete).

Muscle Engineering for Human Transplant
Trotz ihrer Plastizität können Verletzungen und Krankheiten die Regenerationsfähigkeit des Muskelgewebes an ihre Grenzen bringen. Um Muskelverletzungen und -krankheiten besser behandeln zu können, will das Team von Bruno Cadot (Institut de Myologie, Paris), Francisco Fernandes (Sorbonne Université, Paris) und Léa Trichet (Sorbonne Université Paris) große transplantierbare Muskeleinheiten herstellen.

Das vom Team genutzte sogenannte Ice-Templating ermöglicht die Herstellung makroskopischer und komplexer Gewebearchitekturen aus Kollagen und Fibrin. Diese sollen anschließend mit verschiedenen Zelltypen des Muskelgewebes besiedelt werden, um funktionale und Muskeleinheiten zu erhalten, die anschließend beschädigtes Gewebe ersetzen sollen.

Functional Bioprinted Pancreas Tissue
Obwohl Insulin vielen Menschen mit Typ 1 Diabetes eine wirksame Behandlung bietet, besteht bis heute keine Aussicht auf eine Heilung, da das körpereigene Gewebe für die Insulin-Produktion fehlt. Riccardo Levato (Utrecht University Medical Center) und sein Team wollen hier der Heilung einen entscheidenden Schritt näherkommen.

Mit Hilfe des Licht-induzierten Bioprinting kombinieren sie zeitgleich Stammzellen, biologisch aktive Moleküle und Extrazellulärmatrix zu funktionalen Gewebeeinheiten. Das entstehende Gewebe ähnelt der endokrinen Bauchspeicheldrüse und kann ebenfalls Insulin produzieren. Weitere Funktionalisierungen sollen das neue Gewebe aber auch vor der Zerstörung durch das Immunsystem schützen, um so das Grundproblem von Typ 1 Diabetes zu lösen.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 27.02.2024