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28. März 2024

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Massiver Anstieg der Firmeninsolvenzen

Massiver Anstieg der Firmeninsolvenzen© pexels/engin akyurt

Gläubigerschutzverband Creditreform analysiert finale Zahlen bei Firmeninsolvenzen 2022 in Österreich. Gesamtzahl steigt um rund 60 Prozent. Mangels Vermögen abgewiesene Verfahren steigen um 96 Prozent.

(red/czaak) Der Gläubigerschutzverband Creditreform hat die endgültigen Zahlen bei den Firmeninsolvenzen für das Jahr 2022 in Österreich analysiert. Die Gesamtzahl an Firmeninsolvenzen stieg um knapp 60 Prozent auf 4.913 Verfahren. Die Zahl der eröffneten Verfahren ist dabei um 42,5 Prozent auf rund 3.000 gestiegen und die Zahl der mangels Vermögen abgewiesenen Verfahren gar um 95,5 Prozent auf 1.951. Auch die Insolvenzpassiva sind mit rund 2 Mrd. Euro stark angestiegen und das gilt auch für die betroffenen Arbeitsplätze mit rund 16.000.

Zu viele aufeinander folgende Krisen
Die pandemiebedingten Zeiten eines geringen Insolvenzgeschehens sind vorbei. „Nach dem Auslaufen der Corona-Hilfsmaßnahmen war mit einer Rückkehr auf das Vorpandemieniveau zu rechnen. Nun sind primär viele Kleinunternehmen insolvent geworden, die nur durch die staatlichen Hilfen über die Pandemie hinweggerettet wurden“, sagt Gerhard M. Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbandes Creditreform. „Dass viele dieser Unternehmen schon zuvor Probleme hatten, zeigt die stark ansteigende Zahl an vermögenslosen Abweisungen. Gläubiger erleiden dadurch einen Totalausfall“, so Weinhofer.

Die Insolvenzursachen liegen im Kapitalmangel und damit konkret in Problemen bei der Rückzahlung der gestundeten Abgaben und Steuern sowie in der allgemeinen Wirtschaftslage. Lieferkettenprobleme, Fachkräftemangel und vor allem steigende Preise bei Materialien und Vorprodukte führen zu sinkenden oder gar negativen Margen, da die Teuerung nicht immer an den Endverbraucher weitergegeben werden kann, so die Einschätzung der Experten von Creditreform. „Zuerst die Lockdowns, dann der Ukraine-Krieg und dann noch die Inflation waren einfach für viele Unternehmen zu viele Krisen“, erläutert Weinhofer.

Bundesländer und Branchen im Vergleich
Runtergebrochen auf die Bundesländer steigen die Firmeninsolvenzen im hohen zweistelligen Prozentbereich. Den stärksten Zuwachs verzeichneten Vorarlberg (+127,5 Prozent) vor Oberösterreich (+107) und Tirol (+94). Die höchste Insolvenzbetroffenheit herrschte in der Bundeshauptstadt Wien mit 17 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen, die geringste in Vorarlberg mit weniger als 6 von 1.000 Unternehmen. Österreichweit mussten mehr als 10 von 1.000 Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen, so die Zahlen der Creditreform.

Im Vergleich einzelner Branchen gab es absolut betrachtet die meisten Insolvenzen im Handel (862), gefolgt von Unternehmensbezogenen Dienstleistungen (841) und dem Bauwesen (805). Die größte relative Insolvenzbetroffenheit herrschte im Bau mit rund 23 von 1.000 Branchenunternehmen, während in der Industrie lediglich nicht ganz 8 von 1.000 Branchenunternehmen den Gang zum Insolvenzgericht antreten mussten.

Ausblick auf 2023
Ein Zuwachs um 60 Prozent bei den Firmeninsolvenzen scheint auf den ersten Blick alarmierend, ist aber durch den Aufholeffekt nach historisch niedrigen Insolvenzzahlen zu Pandemiezeiten zu erklären. „Das österreichische Insolvenzgeschehen kehrt zur Normalität zurück und die heimische Wirtschaft schlägt sich (noch) recht gut“, so Gerhard Weinhofer. Niedrige Arbeitslosigkeit, nach wie vor gute Eigenkapitalquoten bei der Mehrzahl der Unternehmen, robuster Export, gutes Weihnachtsgeschäft im Handel und in Relation gute Konjunkturprognosen seien dazu die wichtigsten Kennzahlen.
Staatliche Hilfen wie Energiepreisbremse, Klimabonus, Abschaffung der kalten Progression dürften zusammen mit den hohen Gehaltsabschlüssen den wichtigen Binnenkonsum stabilisieren. Hoffnung geben hier auch Indikatoren wie der steigende Einkaufsmanagerindex (EMI) der deutschen Industrie. „Heimischen Unternehmen sei dennoch zur Vorsicht geraten. Steigende Energiekosten und Mieten sowie hohe Lohnabschlüsse gepaart mit einer erwarteten Rezession bilden ein gefährliches Umfeld. Daher kann leider keine Entwarnung bei den Insolvenzen gegeben werden“, betont Weinhofer. Der Wirtschaftsexperte von Creditreform rechnet für 2023 mit rund 6.000 Firmeninsolvenzen.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 09.01.2023