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29. März 2024

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Tragbares Pflaster mit Herzkontrolle und intelligente Hörgeräte

Tragbares Pflaster mit Herzkontrolle und intelligente Hörgeräte© pexels/cottonbro

EU Forschungsprojekt „Listen2Future“ startet zum Thema intelligente Sensorik in Medizin und Industrie. Infineon Austria leitet angewandte Forschungen mit 27 Partnern aus 7 Ländern von Standort Kärnten aus.

(red/mich/cc) Das europäische Forschungsprojekt „Listen2Future“ mit 27 Partnern aus 7 Ländern ist unter der Leitung von Infineon Austria gestartet. Im Fokus steht die Entwicklung von neuen und kleinsten Mikrofon- und Ultraschallsensoren für die Bereiche Industrie und Medizin. Die Anwendungen erstrecken sich von präzisen Mini-Hörgeräten über schnelle Infektionskontrollen bei Säuglingen bis hin zu tragbaren Ultraschall-Pflastern.

Medizinische Versorgung, gesundes Altern, Energiesicherheit und Produktqualität sind grundlegende Themen unserer Gesellschaft. Als eine Art Sinnesorgane der Technik spielen kleinste Sensoren wie Mikrofone und Ultraschallsensoren dabei eine wichtige Rolle. Sie erfassen etwa als „digitales Ohr“ akustische Signale und erlauben schnelle Untersuchungen.

Intelligente Sensorik zu wettbewerbsfähigen Kosten
Die Forschungen im Rahmen des neuen EU-Projekts „Listen2Future“ sollen die Leistungen bestehender Systeme deutlich verbessern und zudem auch völlig neue Lösungen hervorbringen, die der Gesellschaft, den Menschen und der Gesundheit nützen. Ziel ist, kleinste mikro-elektro-mechanische (MEMS) Sensoren zu global wettbewerbsfähigen Kosten in die Serienproduktion zu bringen und sie für eine Vielzahl von Anwendungen in Medizin und Industrie bereitzustellen.

Im Detail der Forschungen geht es um die Entwicklung höherer Bildauflösungen bei Ultraschallsonden, um robuste Mini-Hörhilfen mit erstklassiger Klangqualität und um geringen Energieverbrauch. Tragbare Ultraschall-Pflaster etwa zur Früherkennung von Herzkrankheiten und Ultraschallgeräte für schnelle Infektionskontrollen bei Säuglingen sind weitere Anwendungen. In der Industrie soll eine kontinuierliche Qualitätskontrolle von Materialien sowie die intelligente Überwachung der Energieinfrastruktur umgesetzt werden.

Große Innovationsschritte an den Schnittstellen von Disziplinen
„An den Schnittstellen von Disziplinen finden häufig große Innovationsschritte statt. Das gilt besonders dort, wo Medizin auf Mikroelektronik trifft, weil wir Körpersignale deutlich präziser nachweisen und messen können“, sagt Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende der Infineon Technologies Austria. „Daraus entstehen wesentliche Verbesserungspotenziale für die Gesundheitsversorgung. Mit dem europäischen Projekt „Listen2Future“ zeigen wir im Verbund mit exzellenten Partnern aus Industrie, Medizin und Wissenschaft, wie dieses „digitale Ohr“ wirksam werden kann“, so Herlitschka.
Kleinste MEMS-Mikrofone sorgen in Hörgeräten und Hörsonden, im Smartphone oder Freisprecheinrichtungen für eine perfekte Klangqualität bei geringem Energieverbrauch. In der Medizin gehört Ultraschall zu den gängigsten Untersuchungen und wird in der Schwangerschaftskontrolle oder in der Untersuchung von Schilddrüse, Leber oder Herz eingesetzt.

Neue Generation von Schallwandlern
Die Industrie nutzt Ultraschall, um Reibung, Vibrationen und Schadstellen zu „hören“. Damit werden in Instandhaltung und (vorausschauender) Wartung Probleme leichter und schneller geortet. Die Geräte arbeiten allerdings nicht in jedem Frequenzbereich gleich gut, liefern nur Momentaufnahmen und sind oft groß und teuer. Das „Listen2Future“ Forschungsteam wird sich diesen Herausforderungen widmen.

Ein Forschungsteam arbeitet etwa an kleinen Ultraschallsensoren und Mikrofonen basierend auf neuartigen, flexiblen Dünnschichtmaterialien. Diese neuen Materialien und Sensor-Konzepte sollen präzisere Signale und Bilder sowie ein höheres Klangerlebnis ermöglichen, dabei auch dehnbar und flexibel anpassbar sein - und wenig Energie verbrauchen.

Konkrete Anwendungsbereiche
Die Forschungen erstrecken sich über die gesamte Entwicklungskette – von Material, Design, Signalverarbeitung über Verbindungstechnologien und Softwareentwicklungen (inklusive KI) bis hin zur miniaturisierten und integrierbaren Systemlösung. Final soll das gesamte System intelligenter, kleiner, robuster, stromsparender und mobiler werden.

In Europa leben rund 34 Millionen Menschen mit einer verminderten Hörleistung. Nur etwa jede/r dritte Betroffene lässt sich professionell unterstützen und nützt Hörgeräte. Kleinere und leicht handhabbare Hörgeräte würden die Akzeptanz deutlich erhöhen und die gesundheitliche Versorgung verbessern. Die Weiterentwicklungen bei MEMS-Mikrofonen sollen kleinste, robuste, wasserdichte Designs ermöglichen und durch effiziente Energiewandlung den Stromverbrauch um mehr als 15 Prozent senken. Verbessert wird dabei auch der Nutzerkomfort und die Lebensdauer der Batterie.

Tragbares Pflaster zur Herzkontrolle und präziser Ultraschall in Säuglingsmedizin
Ein weiteres Anwendungsgebiet sind miniaturisierte Ultraschallsonden. Hier wird dann die Diagnose von lebensbedrohlichen Erkrankungen bei Säuglingen schnell, einfach, schmerzfrei und nicht-invasiv ermöglicht. Gut integrierte und kostengünstige MEMS-Technologien aus dem „Listen2 Future“ Projekt sollen den breiten und vor allem leistbaren Einsatz der Geräte erlauben, etwa auch außerhalb des Krankenhauses und in Entwicklungsländern. Hier können die Forschungsergebnisse dazu beitragen, die Sterblichkeitsrate von Neugeborenen weiter zu senken.

Das neue Forschungsprojekt soll auch die Entwicklung von flexiblen Ultraschall-Pflastern entscheidend voranbringen. Da soll dauerhafte, kontinuierliche und nicht-invasive Herzkontrollen erlauben, um etwa die Herzleistung, Insuffizienzen und das Pumpvolumen zu überprüfen. In Zukunft könnten die Patienten mit dem auf der Brust befestigten Pflaster schmerzfrei von zu Hause aus ihre Herzleistung kontinuierlich überwachen. Die Ärzte erhalten mehr Informationen für eine bessere medizinische Behandlung und die Krankenhausaufenthalte werden reduziert.

Überwachung von Verbundmaterialien und Stromnetzen
Einen neuen Schub ausgelöst durch angewandte Forschung sollen auch integrierbare Systeme für die kontinuierliche Material- und Qualitätskontrolle bekommen. Bauteile für die Luft- und Raumfahrt können präzise durchleuchtet werden, um die verbleibende Nutzungsdauer zu erkennen.

Und im Bereich von Stromnetzen kann eine digitalisierte Zustandsüberwachung kritische Komponenten permanent kontrollieren und unerwartete Ausfälle vermeiden. Optimierte Kosten und Prozesse sind weitere Ergebnisse dieser intelligenten und vorausschauenden Wartung (engl. Predictive Maintenance).

Kärnten als Standort für Forschung und Entwicklung von Zukunftstechnologien
Das Projekt „Listen2Future“ - Acoustic sensor solutions integrated with digital technologies as key enablers for emerging applications fostering Society 5.0 - läuft drei Jahre, das Projektvolumen beträgt rund 30 Millionen Euro. Es wird aus Investitionen der Industrie, Förderungen der beteiligten Länder sowie dem KDT-JU (Key Digital Technologies Joint Undertaking) Programm der Europäischen Union finanziert .

„Kärnten setzt als Standort stark auf Bildung sowie Forschung und Entwicklung im Bereich von Zukunftstechnologien und hier dann auch auf internationale Kooperationen“, sagt Peter Kaiser, Landeshauptmann von Kärnten bei der Präsentation des neuen FE-Projektes unter der Leitung von Infineon Austria. „Die neuen Sensoren werden den Bereich der Industrie ebenso wie der Medizin revolutionieren und vielen Menschen eine immense Hilfe sein“, unterstreicht der Landeschef von Kärnten.

Projektstart mit hochrangigen Teilnehmern
Die beteiligten Unternehmen spiegeln das Zusammenspiel aus Wissenschaft und Wirtschaft, aus der Material-, Halbleiter, Elektronik- und Medizintechnik, der Forschung und Softwareentwicklung aus ganz Europa wider. Zu den beteiligten Unternehmen gehören Infineon Technologies Austria (Projektleitung), Silicon Austria Labs, GE Healthcare Austria. Aus Belgien sind dabei Pulsify Medical BV, IMEC Interuniversitair Micro-Electronica Centrum und aus Tschechien Vysoke Uceni Technicke v Brne, Ustav Teorie Informace a Automatizace av cr VVI und das Institut Mikoelektronickych Aplikaci SRO.

Aus Deutschland kommen die Hahn-Schickard-Gesellschaft für angewandte Forschung EV, Codasip, Infineon Technologies AG, Infineon Technologies Dresden, Inoson, Path Medical, Technische Universität Darmstadt und die Technische Universität München. Zu den Niederlanden gehören Solmates BV, Sonion Nederland BV und die Universiteit Twente. Norwegen wird vertreten von Elliptic Laboratories ASA, Sintef AS und Sonitor Technologies AS. Und zu Spanien gehören Agencia Estatal Consejo Superior de Investigaciones Cientificas, Dasel SL, New Born Solutions, SMD Inductor de Analgesia SL und die Universidad de Granada.

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red/mich/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 14.02.2023