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19. April 2024

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Die Lebenswelten geflüchteter Frauen

Die Lebenswelten geflüchteter Frauen© Pexels.com/Ahmed Akacha

Forscher von Akademie der Wissenschaften und Wirtschaftsuniversität Wien beleuchten Situation von geflüchteten Frauen in Österreich. Flächendeckende und niederschwellige Kinderbetreuung als zentraler Erfolgsfaktor.

(red/czaak) Geflüchtete Frauen aus Syrien und Afghanistan kommen im öffentlichen Diskurs abseits von Debatten rund um Kopftuch & Co. nahezu nicht vor. Eine neue Publikation von ForscherInnen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Wirtschaftsuni Wien (WU Wien) vermittelt nun Einblicke in deren Lebenswelten und zudem Erkenntnisse, die auch für neu ankommende Vertriebene wie etwa aus der Ukraine relevant sind.

Situation von Frauen aus Syrien und Afghanistan
Die gegenwärtige Fluchtbewegung ist so weiblich geprägt wie kaum eine zuvor und das nicht erst seit Ausbruch des russischen Krieges in der Ukraine. Frauen kommen von dort, dem Nahen und Mittleren Osten und aus Afrika. Immer mehr sind in den vergangenen Jahren auch aus Syrien und Afghanistan nach Österreich gekommen. Stellten 2015 und 2016 noch überwiegend Männer Asylanträge, kam es danach zu Familienzusammenführungen und damit zu mehr geflüchteten Frauen.
 
Wie es geflüchteten Frauen in Österreich geht, welche Ressourcen sie mitbringen und welche Hürden sie bei der Integration nehmen müssen, haben ForscherInnen vom Institut für Demographie der ÖAW und von der WU Wien erhoben. Die zentralen Befunde: Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Frauen ist herausfordernder als jene von geflüchteten Männern. Geflüchtete Frauen haben oft ebenso hohe, teilweise sogar höhere Bildungsabschlüsse wie Männer. Auch Mehrsprachigkeit ist bei geflüchteten Frauen weit verbreitet, dennoch sind sie seltener erwerbstätig.
 
Diskriminierung wegen Geschlecht und Herkunft
„Die Gründe dafür sind vielfältig und bis dato wenig erforscht“, so die Autoren der Studie, die im Nomos Verlag erschienen ist. Erschwert wird der Einstieg in den österreichischen Arbeitsmarkt insbesondere durch Sorge- und Familienarbeit, fehlende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, geringe Berufserfahrung und sexistisch oder rassistisch bedingte Diskriminierungen.
 
„45 Prozent der befragten geflüchteten Frauen gaben an, keine kurzfristige Betreuungsmöglichkeit für ihre Kinder außerhalb der Kernfamilie zu haben, da Großeltern und Verwandte meist im Ausland leben“, sagt Isabella Buber-Ennser, Demographin an der ÖAW und Co-Autorin der Studie. „Dies führt häufig zu einem Gefühl der Überlastung und chronischem Stress und bindet zeitliche Ressourcen.“
 
Kinderbetreuung als Schlüssel für Integration
Die Studie zeigt aber parallel auch, welchen positiven Beitrag Schulen, Betreuungsangebote oder Sportvereine, die die Kinder besuchen, auf die Integration von geflüchteten Frauen haben. Im besten Fall können Freundschaften mit österreichischen Familien die Sozialkontakte von Müttern nachhaltig erhöhen.

Um überhaupt in Kontakt zu kommen, ist allerdings eine flächendeckende und niederschwellige Kinderbetreuung zentral. „Diese datenbasierten Einblicke sind gerade im aktuellen Kontext der Geflüchteten aus der Ukraine besonders relevant, da ein Großteil Frauen und Kinder sind“, unterstreicht Judith Kohlenberger zweite Studien-Autorin und Migrationsforscherin an der WU Wien.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 24.06.2022