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18. April 2024

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Die nötige Modernisierung von Dieselfahrzeugen

Die nötige Modernisierung von Dieselfahrzeugen© Bilderbox.com

Um Dieselfahrzeuge energieeffizient und sauber zu machen, braucht es auch präzise steuerbare Einspritzdüsen.

Wie das im Detail funktioniert, erkundeten Forscher aus Leoben. In dem vom Wissenschaftsfonds (FWF) finanzierten Projekt konnte diese Technologie nun verlässlicher und effizienter gemacht werden und das ist zudem auch für medizinische Anwendungen oder das sogenannte Energy Harvesting interessant.

Heftige Kritik an Abgaswerten von Dieselfahrzeugen
Dieselfahrzeuge stehen derzeit wegen ihres Abgases unter heftiger Kritik. Stickoxide und Ruß trüben das verbreitete Bild des "sauberen" Dieselmotors. Während der Anteil an Stickoxiden nur durch Zusatz von Chemikalien oder durch niedrigere Verbrennungstemperaturen und damit einhergehenden Verlust an Drehmoment reduziert werden kann, hängt die Ruß-Entwicklung von der Qualität des Verbrennungsvorgangs ab. Dafür genügt es schon lange nicht mehr, einfach zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas Kraftstoff einzuspritzen: Meist gibt die Einspritzdüse zuerst kleinere Mengen Diesel ab.
Erst wenn diese sich entzündet haben, folgt der Rest des Treibstoffs. All das muss in Sekundenbruchteilen passieren, bei Common-Rail-Dieselmotoren sind dafür hochpräzise steuerbare Einspritzdüsen notwendig. Magnetische Ventile sind hier oft zu träge, zum Einsatz kommen in diesem Fall Piezo-Kristalle, eine Technologie, die wegen ihrer hohen Genauigkeit bisher in Uhren oder in der Elektronenmikroskopie eingesetzt wurde, wo es auf millionstel Millimeter ankommt.

Besser als Quarz
Eine Forschergruppe vom Materials Center Leoben (MCL) um den Werkstoffwissenschaftler Marco Deluca hat es nun geschafft, Grundlagen zu entwickeln, um die in der Autoindustrie verwendeten Piezo-Bauteile effektiver und verlässlicher zu machen. Die wesentliche Eigenschaft von Piezo-Kristallen ist, dass sie sich ausdehnen, wenn eine elektrische Spannung angelegt wird. Umgekehrt entsteht Spannung, wenn man sie unter Druck setzt. Ein Piezo-Kristall kann also ein Ventil öffnen, wenn er elektrisch angeregt wird.
Das bekannteste Material, das diese Eigenschaft besitzt, ist Quarz, der etwa als Taktgeber in Uhren eingesetzt wird. In der Autoindustrie verwendet man keramische Materialien, die "ferroelektrisch" genannt werden und etwas andere Eigenschaften haben. Marco Deluca: "Es gibt einen Unterschied zum Quarz. Wenn man Druck ausübt, erzeugt man elektrische Spannung. Beim Quarz lässt sich diese Eigenschaft allerdings nicht verändern. In ferroelektrischen Materialien hingegen kann auch die Richtung der Ausdehnung des Materials beeinflusst werden."
Während die Atome in einem Quarz-Kristall sehr geordnet sind, bestehen ferroelektrische Keramiken aus winzigen sogenannten "Domänen", die kleiner als ein Millionstel Millimeter sind. Wird eine genügend hohe Spannung angelegt, so "klappen" diese Domänen um und richten sich aus. "Durch dieses Klappen der Domänen erreicht man bei gleicher Spannung eine höhere Ausdehnung als bei Materialien wie Quarz, die nur piezoelektrisch sind", erklärt Deluca. Diese stärkere Ausdehnung ist für Einspritzdüsen wesentlich.

Laser und Röntgenstrahlung
Common-Rail-Einspritzdüsen mit Piezo-Injektoren sind in der Autoindustrie seit einigen Jahren üblich, doch es gibt technische Probleme. Man kämpft mit Rissen in den Keramik-Elementen, weshalb diese unter einer gewissen Druck-Vorspannung verbaut werden. "Man hat außerdem beobachtet, dass die Performance besser wird, wenn man die Aktoren mit etwa 50 Megapascal Druck im Motor einbaut. Die Hersteller wussten aber nicht, warum", so Deluca.
Eine der Aufgaben des Projekts war es nun, diesen Effekt besser zu verstehen. "Dazu haben wir kommerziell verfügbare Piezo-Aktoren in Aktion mit Laser-Raman-Spektroskopie und Röntgenmethoden untersucht." Für derartige Untersuchungen braucht es sehr genau fokussierbare hochenergetische Röntgenstrahlung, wie sie nur bei Teilchenbeschleunigern ähnlich jenen im Kernforschungszentrum CERN entsteht. Damit ließe sich das Material durchleuchten und die Positionen der Atome genau abbilden.
Deluca nutzte hierfür eine Zusammenarbeit mit der North Carolina State University, bei deren Teilchenbeschleuniger (Advanced Photon Source) die Messungen durchgeführt wurden. Bei den Untersuchungen zeigte sich, dass die mechanische Vorspannung die Orientierung der Domänen verändert: Die Vorspannung ordnet die Domänen in eine bestimmte Richtung senkrecht zur elektrischen Feldachse. Wenn sie nun elektrisch angeregt werden, können mehr Domänen umklappen als ohne vorgelegte mechanische Spannung. "Dadurch erzeugt man eine größere Veränderung in der Länge des Materials", so Deluca. Mit diesem Wissen habe man nun die optimale Vorspannung für die technische Anwendung bestimmen können.

Weitere Ziele und Anwendungsmöglichkeiten
Ein weiteres Ziel des Projekts war es, die Rissbildung zu verhindern. "Die Rissbildung lässt sich stoppen, wenn man die ursprüngliche Orientierung der ferroelektrischen Domänen steuern kann." Dafür ist es nötig, abzubilden, in welche Richtung die Domänen orientiert sind. "Eines der Ziele unseres Projekts war, Methoden zu finden und zu verfeinern, welche die Orientierung von ferroelektrischen Domänen messen können."
Dieses Wissen werde bereits industriell verwendet, berichtet Deluca. Nicht nur die Automobilindustrie ist an dieser Entwicklung interessiert, auch andere Technologiezweige setzen auf Piezoelektrizität. "Das Problem ist letztlich immer: Welche Orientierung ist die beste für die Anwendung? Wie lässt sich die Orientierung von Domänen verändern? Welche Belastung ist möglich, ohne sie zu zerstören? Das wird vor allem für Energy Harvesting oder für energieautarke Sensoren interessant sein." Auch in der Medizin gibt es Anwendungsmöglichkeiten. "In allen diesen Bereichen wird aus Verformung Energie gewonnen. Das Material, das wir analysiert haben, kann dafür verwendet werden", sagt Deluca.

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red, Economy Ausgabe Webartikel, 03.11.2017